Mehrdeutigkeit als zentrales Thema des Sprach-, Lese- und Literaturunterrichts
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Beschreibung
Die Mehrdeutigkeit sprachlicher Erscheinungen wie einzelner Wörter, aber auch umfangreicher Äußerungen und sogar ganzer Texte ist keine seltene Ausnahmeerscheinung. Nahezu jedes Wort ist polysem, kann in unterschiedlichen Lesarten verwendet werden: Die Mutter geht in die Küche. - Der Hefeteig geht. - Die Uhr geht falsch. - Es geht auf den Winter zu. Manche Sätze lassen sich wegen einer unklaren grammatischen Struktur so oder so verstehen: Er las den Brief seiner Frau vor. Redewendungen wie jemandem auf den Leim gehen und Kurztexte wie Sprichwörter haben zumindest neben einer wörtlichen auch eine übertragene Bedeutung: Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht. Zur Interpretation literarischer Texte gehört generell das Aufdecken ihrer Mehrdeutigkeit, da das für das Verständnis Entscheidende oft nicht direkt ablesbar ist, sondern "zwischen den Zeilen" steht. Wie geht man nun mit solchen Mehrdeutigkeiten (Ambiguitäten) um? Ambiguitätstoleranz (auch: Ungewissheitstoleranz) gilt als ein wichtiges kognitives und emotionales Persönlichkeitsmerkmal, das vor simplifizierendem "Schwarz-Weiß-Denken" schützt und dabei hilft, die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von unklaren, ambigen Informationen in widersprüchlichen Situationen zu bewältigen. Ambiguitätskompetenz geht darüber hinaus. Sie ist die Fähigkeit, als Hörer oder Leser, aber auch als Sprecher oder Schreiber angemessen mit Mehrdeutigkeiten umzugehen, d. h. sie in fremden Äußerungen zu erkennen und das richtige Verstehen zu sichern bzw. sie bei den eigenen Äußerungen zu vermeiden oder aufzuklären. So können Nichtverstehen und Missverstehen vermieden werden. Deshalb ist die Förderung der Ambiguitätskompetenz eine zentrale Aufgabe des Deutschunterrichts. von Ulrich, Winfried
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Über den Autor
Prof. Dr. phil. Dr. h.c. mult. Winfried Ulrich lehrte bis 2006 Germanistische Linguistik und Didaktik der deutschen Sprache an der Universität Kiel, vorher an den Pädagogischen Hochschulen Reutlingen und Kiel. Er war Prorektor und Rektor der PH Kiel sowie Dekan der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel, Gastprofessor an der University of Arizona in Tucson, der University of Queensland in Brisbane und der Monash University in Melbourne sowie an den Universitäten Yamaguchi, Kagoshima und Hiroshima in Japan. Die Universitäten Tallinn/Estland und Szeged/Ungarn verliehen ihm die Ehrendoktorwürde. Er ist Verfasser von Büchern und Aufsätzen zur Linguistik und Sprachdidaktik, Herausgeber und Autor von Schulbüchern, Mitherausgeber der Fachzeitschrift "Deutschunterricht" sowie Herausgeber des elfbändigen Handbuchs "Deutschunterricht in Theorie und Praxis" = DTP
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