Dir zuliebe
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Beschreibung
Oktober 1986 Wie aus weiter Ferne hörte sie seine Worte. »Hör auf, Mutter! Hör endlich auf!« Der Badezimmerboden war klitschnass, die Wanne übergelaufen und ihre Füße standen in dem mit Blut, Kot und Urin verschmutzten Badeschaum. Das Wasser lief und lief. Der beschlagene Badspiegel zeigte eine aufgemalte Sonne, die langsam zerlief. Friedas Blick huschte verstört über ihre Kinder, sie hatten Angst vor ihr. Beide. Sie beschlich eine Ahnung, dass sie dieses Bild nie mehr loslassen sollte. Dass sie Badezimmer kaum noch betreten konnte und beschlagene Spiegel ihr bis in die staubtrockenen Träume folgen würden. Februar 2002, sechzehn Jahre später Noch bevor Jupp die Tür geöffnet hatte, die direkt in die warme Wohnküche führte, hörte er das Gezeter. »Oh, nein! Nein, mein Frollein. Nein! So gehst du nicht!« Jupp bückte sich, wechselte die Schuhe und wäre am liebsten direkt wieder umgekehrt, sogar barfuß. »So! Gehst! Du! Nicht!« Stakkato. Er trat ein und sah, wie Frieda den Arm nach kurzem Zögern senkte. Den Zeigefinger, der auf Isabellas Minirock deutete, ließ sie anklagend ausgestreckt. Jupp sah seiner Frau an, dass sie noch lange nicht fertig war. Noch lange nicht! Es klingelte und er war heilfroh über die Unterbrechung. Als er die Tür öffnete, sah er in Lottis gut gelauntes Gesicht mit den hochgezogenen Augenbrauen und dem leicht frivolen Zug um den Mund, der sich über die Jahre dort eingraviert hatte. »Komm rein, ist ganz schön kalt.« Mit einem Rundumblick schien Lotti die Lage zu erfassen. »Hier drinnen auch, wie mir scheint.« Jupp nickte. »Eher heißkalt.« Galant half er ihr aus dem schweren Wintermantel und hoffte, dass er kein echtes Tier in den Händen hielt und an den Garderobenhaken beförderte. Lotti klopfte den Schmutz von ihren Stiefeln und wechselte in die Hausschuhe, die immer für sie parat standen. Mit ihrem Pelzhut, den sie auch in der warmen Küche nicht absetzte, ihrer kerzengeraden Haltung und dem auffälligen Schmuck sah sie aus wie eine russische Fürstin in einem bitterkalten Winter in Nowosibirsk. Jupp stand hinter ihr und dachte wieder einmal, dass Lotti zur Familie gehörte wie dick gestrickte Socken an winterkalte Füße. Schnurstracks ging sie zu Frieda, küsste sie auf die erhitzte Wange und tätschelte ihr den Rücken. »Egal, was ich verpasst habe, Schwesterherz. Reg dich ab. Deine Pumpe wird's dir danken.« Dann umarmte sie ihre Nichte Isabella, hielt sie eine Armlänge von sich entfernt und musterte sie von oben bis unten. »Oh, là, là, kleine Lady, was hast du denn heute vor? Der Lidstrich betont deine Katzenaugen ganz fantastisch und dein Mund, da reicht ein Hauch von Lipgloss. Und, Frieda, schau dir diesen schlanken Hals und das Herzgesicht an. Eure Tochter ist der Wahnsinn!« Jupp registrierte Lottis Entzücken und das für seine Tochter bestimmte Augenzwinkern. Friedas erwartungsvollem Blick hingegen wich er tunlichst aus. Sie sah aus, als würde sie mit letzter Kraft höchstpersönlich ihr Blut durch die Adern pumpen. »Jupp! Sag was! Und Lotti, halt dich da raus! Das geht nur Isabella und uns etwas an!« Jupp, der inzwischen bei den Frauen am Tisch war, begutachtete seine Tochter ebenfalls. Isabella hatte sich offensichtlich bereits in den Kampfmodus begeben. Inzwischen stand sie breitbeinig, die Arme vor der Brust verschränkt wie eine Amazone im Raum und wartete ab, was passieren würde. Sie trug so etwas wie einen goldenen Büstenhalter mit Fransen, dazu einen, auch für seinen Geschmack, sehr winzigen Minirock, Stiefel zum Schnüren, die bis an die Knie reichten, und hatte sich eine riesige Sonnenbrille in ihre langen roten Haare gesteckt. Ihr Gesicht leuchtete. Alles, was sie am Körper trug, glitzerte und blinkte im Licht der Haberlandschen Küchenlampe. Seine Tochter war eine Augenweide, selbst wenn sie ihre Wut zerkaute wie einen ausgelutschten Kaugummi, wenn sie weinte und tobte. Oder auch, wie jetzt, trotzig in der Küche stand. Er liebte dieses Mädchen von ganzem Herzen. Wie immer regte sich für einen Moment sein Vaterstolz, so eine hübsche Tochter in die Welt gesetzt zu haben. Seine Kleine, seine Nachzüglerin, seine Prinzessin, seine ... von Baum, Helena
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Über den Autor
Helena Baum, geboren 1963, lebt in Berlin und in Nordfriesland. An beiden Orten arbeitet sie als Einzel-, Paar-und Familientherapeutin in freier Praxis. Unter ihrem Autorennamen schreibt sie mit Leichtigkeit, Humor und Tiefe über das Leben und die Liebe. Ihre Geschichten sind facettenreich, klug und zutiefst menschlich. Während ihrer mehrjährigen Aufenthalte auf der Insel Kreta/Griechenland und später in der Toskana/Italien veröffentlichte sie die biografischen Erzählungen "Erst mal für immer. Kreta "(Januar 2017) und die Fortsetzung "Erst mal für immer. Toskana" (Oktober 2019). Der Roman "Die dreckigen Dreißiger" (Oktober 2017) erzählt die fein verknüpften Geschichten von drei Freundinnen, beginnend in ihren Dreißigern. Im Juni 2018 ist der Roman"Hör mir auf mit Glück" erschienen, dieses Mal vor der Kulisse Portlands/Oregon, ihrem zweiten Zuhause. Dort leben ihre Tochter, die Enkel und ihr Schwiegersohn. Im Mai 2019 erschien "Dir zuliebe", eine tiefgründige, spannend erzählte Familiengeschichte über Schuld, Liebe und Verzeihen. Anmeldung zum Newsletter: www.helenabaum.de
- Hardcover
- 254 Seiten
- Erschienen 2009
- Solibro Verlag
- hardcover
- 50 Seiten
- Erschienen 2019
- agenda Münster
- Hardcover
- 312 Seiten
- Erschienen 2020
- BoD – Books on Demand
- Hardcover
- 224 Seiten
- Erschienen 2021
- Prestel Verlag